Robert Anton Wilson schrieb: "Amateure auf diesem Gebiet scheinen immer in die Falle zu tappen, an eine einzige Große Verschwörung zu denken, im Singular. Das ist deshalb, weil die
Verschwörungen, wie ein Spaghetti-Knäul, endlose Verwicklungen und Überlappungen aufweisen: aber man darf trotzdem nicht den Irrtum verfallen, die Spaghetti nicht für einen zusammenhängenden und
intelligenten Organismus zu halten." -
Also, intelligente Spaghetti sind mir auf diesem Gebiet noch nicht untergekommen, aber einige Autoren mit wirklich neuartigen und äußerst kreativen Ideen. So Charles Fort zu den kosmologischen
Dimensionen von Verschwörungen: "Würden wir, wenn wir könnten, Schweine, Gänse und Vieh ausbilden und erziehen? Wäre es klug, diplomatische Beziehungen zu einer Henne aufzunehmen, die in unserem
Sinne gut funktioniert und leistet, was wir von ihr verlangen? Ich glaube, wir sind Besitz. Wir gehören etwas anderem: Daß die Erde früher einmal Niemandsland war, daß andere Welten sie
erforschten und kolonisierten und um die Vorherrschaft kämpften, daß wir jetzt jemanden gehören: Daß etwas Eigentümer der Erde ist - alle andern haben keinen Zutritt." -
Auf einer weit menschlicheren Ebene lassen sich Verschwörungen auch dort ausmachen, wo Gemeinschaften international und gar weltweit operieren. Dazu gehören verdächtig oft der Vatikan und seine
Vertreter, wie es David Yallops umstrittenes Buch "In Gottes Namen" beweisen will, genauso, wie die "Entdeckung" von Wilhelm Kammeier 1935, daß etliche hundert Jahre deutscher Geschichte in den
Fälscherwerkstätten der Mönche entstanden seien. Die Idee von vierhundert Jahren gefälschter Geschichte war immerhin so groß gedacht, daß sie 1996 der Autor Heribert Illig in zwei Auflagen
recyceln konnte.
An der Sache mit der gefälschten Geschichte kann man eine Gesetzmäßigkeit der Verschwörungstheorien entdecken, sie basiert, wie ein gut gemachter Agententhriller, auf einer Teilwahrheit, der Rest
strömt dann nur noch als heiße Luft in den Ballon.
Ganz unverzichtbar sind auch Wahrscheinlichkeiten. Beispielsweise in Robert Ludlums "Der Holcroft Vertrag", dort geht es um den modernen Mythos der "Sonnenkinder", die unerkannt unter uns
aufwachsen, aber in Wirklichkeit die Geschichte formen, die Herrscher ganzer Epochen sind... die Privilegierten. Laut Ludlum sind die "Sonnenkinder", ein philosophischer Begriff, den Thomas J.
Perry im England der zwanziger Jahre entwickelt hat. Der besagte Herr Perry ist mir nicht bekannt, als ich dann aber weiter las, der Symbolforscher Johann Jakob Bachofen hätte davor diesen
Begriff genutzt, wurde ich hellhörig. In meiner dreibändigen Ausgabe von Bachofens Werken, taucht auf 1500 Seiten das Wort "Sonnenkinder" überhaupt nicht auf. Solche Behauptungen gehören also zu
den natürlichen Standardwerkzeugen der Verschwörung. Wichtig ist allein, was sein könnte. Wie schreibt Ludlum selbst: "Man muß Lügen logisch ausgestalten, sie dann noch einmal überprüfen und das,
was an ihr am glaubwürdigsten ist, benutzen."
Zu meinen Lieblingen auf dem Gebiet der spekulativen Literatur gehören: Louis Pauwels, Jacques Bergier: "Aufbruch ins dritte Jahrtausend" und Trevor Ravenscroft: "Der Speer des Schicksals". Beide
Bücher sind äußerst vergnüglich und mit Gewinn zu lesen. Die beiden Franzosen schreiben über Charles Fort ein ganzes Kapitel.
Wofür ich den drei Autoren hohen Respekt zolle, ist die unüberschaubare Menge von Lesern, die ihnen wirklich alles geglaubt haben und die gleiche Zahl von Abschreibern, die es in alle Richtungen
weitergetragen haben. So würdigt Jan van Helsing in seinen "Geheimgesellschaften" Ravenscrofts "Der Speer des Schicksals" mit den Worten "hervorragend recherchiert" (sic!). Spätere Versuche der
Autoren, diesen Effekt in der Welt der Bücher zu wiederholen, gelang nicht. Ravenscrofts "Der Kelch des Schicksals. Die Suche nach dem Gral." bleibt in meinen Augen genauso blass, wie
Pauwels/Bergier: "Die Entdeckung des ewigen Menschen." Was diesen nachfolgenden Büchern in auffälliger Weise fehlt, ist die verschwörerische Verbindung zum Nationalsozialismus. Das scheint Leser
zu bringen. Der Nationalsozialismus ist das, "ich betone: das unbegrenzte Experimentierfeld für entfesselte Phantasien". Nur auf diesem Terrain finden wir die unsterblichen "Klassiker" der
Verschwörung, wie "Die Protokolle der Weisen von Zion".
Daß es dazu keine Ermüdungserscheinungen gibt, liegt auch daran, daß diese und andere Schriften in Deutschland unter die Bestimmungen zur Nationalsozialistischen Literatur fallen. Was den
verschwörerischen Eindruck erweckt, man wolle die Leute vom Studium dieser Schriften abhalten. Die daraus entstehend Bedeutung ist, wie ich finde, mehr als unangemessen. Genauso unangemessen, wie
folgende kleine Begebenheit. Als ich einmal im Internet Friedrich Döllingers "Baldur und Bibel" entdeckte und erwerben wollte, wurde mir mitgeteilt, daß diese antisemitische Schrift von 1919 nur
zu wissenschaftlichen Zwecken abgegeben werde. Als ich darauf hin antwortete, ich hätte schon etwas publiziert, was mein historisches und wissenschaftliches Interesse belegt, wurde mir von der
wohl etwas paranoiden Antiquariatsbesitzerin mitgeteilt, dies sei nicht ausreichend. Um es abzukürzen, schließlich kaufte eine befreundete Historikerin die Schrift, es gelang ihr allerdings auch
erst, als es ein offizieller Kauf für die nicht öffentliche Museumsbibliothek wurde. Als ich dann die Fotokopie des Textes endlich vor meine neugierigen Augen hielt, konnte ich nicht verstehen,
was das "Gezappel" eigentlich sollte. So werden Bedeutungen gemacht, die es besser nicht geben sollte. Friedrich Döllinger scheint auch an Paranoia gelitten zu haben, denn er veröffentlichte
unter den Pseudonymen: Karl Weinländer, Herman Wieland, Werner Stauffacher, H. Lienhardt und Jens Jürgens. Letzterer steht für zwei besonders "schöne" Belege der völkischen Verschwörungsangst:
"Der biblische Moses als Pulverfabrikant, Räuberhauptmann und Erzbolschewist" (1920) und "Die entdeckten Henker und Brandstifter der Welt und das Verschwörungssystem" (1928).
Neben den Juden gehören die Freimaurer zur einsamen Spitze der Weltverschwörung, das weiß auch E.R. Carmin, in seinem Buch "Das schwarze Reich. Geheimgesellschaften und Politik im 20.
Jahrhundert" zu berichten. Bevor er sich der Bruderschaft der "Trilateralen Commission" widmet, kommt er auf die "Okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus" zu sprechen. Anders als bei dem
wissenschaftlichen und sauberen Buch von Nicolas Goodrick-Clarke hält er solche magischen Wurzeln für bewiesen.
Als ich 1994 seine Erstausgabe bei einem Bekannten in Händen hielt war ich erstaunt, der stolze Besitzer hatte druckfrisch 300 Mark dafür bezahlt. Selbst bei über 1300 Fußnoten ein stolzer Preis
für ein neues Buch. Immerhin durfte ich kostenlos blättern. Ein paar Jahre später gab es eine preisgünstige Taschenbuchausgabe, was an der Qualität von Carmins vorgebrachten Thesen nicht viel
änderte.
Was allen Vertretern der Verschwörungstheorie zu eigen ist, sind ihre neu geknüpften Zusammenhänge. Ich versuche mich auch mal, Carmins Buch erschien zuerst im Verlag: Ralph Tegtmeier, Bad
Münstereifel. Tegtmeier ist auch bekannt unter dem Pseudonym Frater V.:.D.:., das Herrenmagazin "lui" bezeichnete ihn 4/1986 als "Der Hexer von Bonn" und Bad Münstereifel liegt ja ganz in der
Nähe. Dieser esoterische Schriftsteller und Begründer der pragmatischen Magie veröffentlichte unter anderem ein "Handbuch der Sexualmagie". Liegt hier der Grund, warum Carmin den "Führer des
Großdeutschen Reiches" als praktizierenden Sexualmagier outet?
Neben solchen Verbindungen fällt mangelndes Handwerk auf. Carmin bezieht seine "Beweise" ausschließlich aus der Sekundärliteratur. Zeit für ein eigenes Quellenstudium fand er bei seiner fleißigen
Abschreibarbeit wohl nicht. Ob das wohl Absicht ist? Und so werden die herrlich verkorksten "Standardwerke" wieder mehrfach und ausgiebig zitiert: Pauwels/Bergier, Ravenscroft und Rauschnings
scheinbare "Gespräche mit Hitler". Dazu gehört, wie schon fast üblich, die fehlerhaft Wiedergabe von Eigennamen, z.B. wird aus dem zweiten Präsident des Ahnenerbe Professor Dr. Walther Wüst ein
Professor Wust und aus dem Leiter der deutschen Tibetexpedition 1939, dem Ornithologen Dr. Ernst Schäfer ein Dr. Scheffer.
Unübertroffen in dieser Richtung ist allerdings das Buch "Die Legende Atlantis. 2011 Die Prophezeiungen von Elia zur Endzeit." Besonders amüsant fand ich dort in der "Danksagung" dies: "Falls Sie
Fragen zu den in diesem Buch angesprochenen Themen haben (deren Umfang nicht 2 Arbeitsstunden übersteigen), können Sie diese gegen DM 200,- und einem Rückumschlag schriftlich an den Verlag
richten ... Der Autor oder dessen Vertretung wird die Fragen auf 2 DIN a 4 Seiten beantworten. (Nur seriöse Fragen bitte.)"
Was mich persönlich immer interessiert hat, ist die Frage: Werden wir wissentlich getäuscht oder handeln die Verschwörungstheoretiker in gutem Glauben? Denn eines ist sicher, die schon
angesprochenen Teilwahrheiten kommen oft zum Einsatz. Dies gilt auch für den Komplex der sogenannten "Reichsdeutschen Flugscheiben", es hat sie wohl in der einen oder anderen Form sogar gegeben.
Bekannt ist, daß an verschiedenen Standorten die Entwickler Habermohl, Schriever, Miethe und Bellonzo an solchen Maschinen bis Kriegsende gearbeitet haben. Das Echo auf solche Tatsachen ist
beachtlich. So weiß Wilhelm Landig in "Götzen gegen Thule" (1971), "Wolfszeit um Thule" (1980) und "Rebellen für Thule" (1991) noch mehr. In seinen Romanen werden die fliegenden
Geheimentwicklungen den Alliierten entzogen und auf unterirdische Basen in der Antarktis stationiert. Andere Vertreter des "esoterischen Hitlerismus" sprechen von einer "hohlen Erde" deren Zugang
sich ebenfalls am Südpol befinden soll. Diesmal ein Echo, auf die, von einigen führenden Nationalsozialisten geglaubte, "Hohlwelt-Theorie".
Ein Jahr nach dem letzten Buch der "Thule-Triologie" präsentiert das Autorenteam Norbert Jürgen Ratthofer und Ralf Ettl bereits weltraumtaugliche Flugscheiben, deren Antrieb auf einer schon 1922
erfundenen "Jenseitsflugmaschine" basiert. Ausschlaggebend sei hierfür die "Vril-Gesellschaft" gewesen und die Organisation "Schwarze Sonne", aus der nach der sumerisch-babylonischen
Privatmythologie der Autoren das III. Reich hervorgegangen sein soll. Mit von der Partie sind auch die "Thule-Gesellschaft" und die nicht belegbaren "Herren vom Schwarzen Stein", mit deren
Anfangsbuchstaben wohl die Nähe zur SS angedeutet werden soll. Hier begeben wir uns auf das Gebiet des Glaubens, die Illustrationen in den Werken sprechen allerdings eher für einen
schlechtgemachten Ulk.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich Bücher, die die Zeit "bevor Hitler kam" sehr akribisch untersuchen und durchleuchten, für besonders empfehlenswert halte ich: Detlev Rose, "Die
Thule-Gesellschaft" und "Der Vril-Mythos" von Peter Bahn und Heiner Gehring. Leider muß man Heiner Gehring bei eigenständigen Veröffentlichungen attestieren, daß er sich auch gehörig ins Lager
der Gläubigen versteigt.
Daß eine geheimnisvolle "Raumkraft" existiert, ob sie nun "Vril" heißt oder anders, wird nicht nur von Jan van Helsing, dem Aufdecker neuer und alter Verschwörungen, geglaubt, sondern auch von
allen "Vertretern der freien Energie", die heute daran arbeiten eine Maschine zu entwickeln, die kosmische Energien nutzt, wie die Erdrotation oder das elektrisch-magnetische Kraftfeld unseres
Planeten. Daß es bis jetzt noch nicht funktioniert hat, liegt natürlich nur an den dunklen Machenschaften der Mineralölkonzerne, die in verständlicher Weise kein Interesse daran haben, daß frei
verfügbare Energie das Benzin ablöst. Ähnliches versuchte schon einmal der Österreicher Carl Schappeller (1875-1947), den der Rassenmystiker Lanz von Liebenfels 1930 in der Zeitschrift
"Ariosophie" als "ein Titane auf technischen-physikalischem Gebiet" bezeichnet. Drei Jahre nach dem ariosophischen Lob trifft Carl Schappeller auf Heinrich Himmler. Eine Chronistin vermerkte dazu
"Sie aßen Spinat und Kartoffeln.- Von Himmler hörte man später nichts mehr. Man kann nur sagen: Gott sei Dank."
Da der findige Ideenverkäufer Schappeller niemals Energie produziert hat und die NSDAP in einem Teil seines Schlosses einen Kindergarten einrichtete, müssen die sagenhaften Antriebe der SS-Ufos
aus anderer Quelle stammen.
Zum Schluß noch etwas, das sich bei diesem Thema einfach nicht vermeiden läßt, der Name ist ja schon gefallen: Hitler. Da gibt es einfach nichts, was es nicht gibt.
Wie z.B. die kleine Schrift von Otto Franz Braun "Hinter den Kulissen des Dritten Reiches. Geheime Gesellschaften machen Weltpolitik" (1987), dessen Titel wohl eine Anspielung ist, auf Felix
Franz Egon Lützeler "Hinter den Kulissen der Weltgeschichte", ein Werk zur Geschichte der Geheimbünde, das 1939 die verständnisvolle Anerkennung vom "Reichsführer SS" und dem "Reichsminister für
Volksaufklärung und Propaganda" besaß.
Das schmale Heft kommt zwar sehr verschwörerisch daher, Otto Franz Braun nennt Wilhelm Landig einen guten Bekannten, entdeckt aber letztendlich nichts neues hinter den Kulissen.
Dies wäre nicht erwähnenswert, wenn es da nicht noch etwas Lustiges gäbe. Der Vorbesitzer meiner Ausgabe, hatte hinter "Otto Franz Braun" mit blauer Tinte geschrieben "Vorsicht ist Jude". Ich
mußte schmunzeln und noch einmal, als ich las "Raymond Martin Verlag". Ich weiß zwar nicht, wie das weitere Verlagsangebot heute aussieht, aber 1974 gab Raymond Martin im Volksverlag die
"U-Comix" (Nur für Erwachsene) heraus, das damalige Programm "Sex & Drugs & Rock and Roll" gefiel mir besser, als ein Titel auf dem Hitler mit der Blutfahne zu sehen ist.
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wurzelberg (Mittwoch, 16 Oktober 2013 23:40)
"Was mich persönlich immer interessiert hat, ist die Frage: Werden wir wissentlich getäuscht oder handeln die Verschwörungstheoretiker in gutem Glauben?"
Das ist, denke ich, völlig unterschiedlich. Das Problem dabei ist, das Täuschungen oft in einem Netz von Tatsachen verwoben sind, so dass am Ende selbst die haarsträubenste Phantasie doch noch einen Hauch von Realität besitzt. Ich glaube ernsthaft, dass die perfekte Tarnung bzw. der perfekte Schutz eines potentiellen Verschwörers, die Erfindung von Verschwörungstheorien ist, welcher also im Ernstfall, ähnlich eines flüchtenden Krakes, eine Wolke schwarzer Tinte hinterlässt, um den Nachforschenden zu irritieren.
Ich recherchiere seit einigen Jahren und weiss jetzt mit ziemlicher Sicherheit, ich kann das an Hand einiger Hundert, vielleicht auch ein paar Tausend Quellen belegen, dass insbesondere in den letzten Jahren eine regelrechte Verschwörungstheorieindustrie aufgebaut wurde. Was natürlich die Suche nach echten Verschwörungen und Machenschaften erschwert. Wenn man erkannt hat, dass diese Industrie, Teil eines riesigen Systems ist und dass hierbei immer die gleichen Muster ablaufen, dann ist man möglicherweise wirklich der Wahrheit auf der Spur. Die ist jedoch nicht bequem und schon gar nicht zugeschnitten auf Menschen, deren Denkmuster zu eingeschliffen oder auch theorieverkrustet sind.
Die Erfahrungen mit dieser " Freie Energie " -Propaganda, kann ich bestätigen. Sie ist eine Kategorie dieser Szene und wird sogar, man höre und staune, von obersten Regierungsstellen dabei unterstützt! Solange sich die Deppen mit diesem Unsinn beschäftigen, fällt ihnen nichts Besseres, Machbares und vor allem Unabhängiges ein, was sowohl Staat (Steuereinahmen) und auch Energiekonzernen(Profitsicherung) in die Hände spielt.